Senek Rosenblum 

1939, Senek war vier Jahre alt, musste seine Familie ihr Haus und ihre eigene Mühle in Zychlin, Polen, verlassen. Auch da hatten die Deutschen ein Ghetto für Juden eingerichtet. Und dort mussten die Rosenblums nun auch hin. 

Da Seneks Vater Mitglied im Judenrat war, erfuhr er bereits mehrere Wochen zuvor, dass ausgerechnet seine eigene Familie mit dem ersten Transport in das KZ Chelmno deportiert werden sollte. Nur wegen dieser Informationen war es ihm möglich, ein schreckliches Schicksal für seine Familie abzuwenden. In einer Nacht- und Nebelaktion, mitten im eisigen polnischen Winter, gelang ihnen die Flucht. Der kleine Senek, seine Mutter, seine Großmutter und der Vater machten sich auf den Weg nach Warschau. „Dort gibt es so viele Menschen, die Deutschen würden es nicht wagen, so viele umzubringen. Dort ist es sicher“, dachte der Vater von Rosenblum. Wochenlang waren sie unterwegs. Doch nur der kleine Senek und sein Vater kamen in Warschau an. Die beiden Frauen haben die Strapazen der Flucht nicht überlebt. 

Doch sie hatten sich die Lage in der Hauptstadt ganz anders vorgestellt. Denn sie kamen vom Regen in die Traufe. Das Ghetto war gezeichnet von Armut, Hunger und Krankheit. Durch einen glücklichen Zufall stießen sie auf Seneks Onkel. Bei ihm und seiner Frau sind sie untergekommen. Zu acht teilten sie sich ein Zimmer. Auch hier ahnte Seneks Vater nichts Gutes. So fing er an, erneut eine Flucht zu planen. Um diese zu ermöglichen, wurde er Schmuggler an der Ghettomauer. So beschaffte er sich nicht nur Lebensmittel, sondern auch Informationen. Er pflegte mit der Zeit gute Kontakte zu den polnischen Bürgern auf der anderen Seite der Mauer. Dadurch ist es ihm gelungen, eine Polin für sich zu gewinnen, die sich später bereit erklärte, den kleinen Senek bei ihrer Tochter zu verstecken, sobald die Rosenblums aus dem Ghetto geflohen sein würden. 

Alle Kinder auf dieser Welt lieben es, Verstecken zu spielen. Doch für den inzwischen siebenjährigen Senek sollte es die Hölle auf Erden werden. Man brachte ihn nämlich zu einer jungen Frau namens Irka in eine kleine Wohnung. Dort hat man speziell für ihn ein Versteck im Schrank konstruiert, in dem er von nun an die meisten Stunden des Tages verbringen musste. Seinem Körper bekam dieses Schrankgefängnis nicht gut. Die meiste Zeit musste Senek zusammengekrümmt in dem Schrank ausgeharrt. Nur die Vorstellung von seiner Mutter auf einer Sonnenblumenwiese half ihm bei seinen Qualen. Doch seinen Beinen bekam das nicht gut, denn sie verkrüppelten so dermaßen, dass er kaum noch gehen konnte.  

Doch wieder hatte er Glück im Unglück. Jemand im Haus erfuhr von seiner Existenz, weswegen zunächst die Gefahr bestand, er könne denunziert werden. Deshalb brachte ihn sein Vater auf einen Bauernhof. 

Aber dort konnte Senek auch nicht lange verweilen. Wieder muss eine neue Bleibe her. Senek wird im Warschauer Viertel Praha bei einer Wäscherin untergebracht. Doch von nun an ist er auf sich selbst gestellt, denn die Wäscherin kümmert sich nicht um ihn. In Gedanken nennt er sie „Kulawa“, was auf Polnisch so viel wie „hinkend, lahm“ bedeutet. Hinzu kommt: Er muss nicht nur sich selbst mit Essbarem versorgen, sondern auch die Wäscherin, damit er weiter dort leben durfte. Aber das musste er, denn nur dort würde sein Vater ihn wieder finden. Also passte er sich an und ging betteln. Wenn es sein musste, stahl er auch. Problem nur: Es gab kaum etwas zu stehlen oder zu erbetteln – die Leute hatten ja selbst kaum etwas. Erst mit der Ankunft der Roten Armee änderte sich das. Er schlich Tag ein Tag aus bei den russischen Soldaten herum, die ihm ab und an etwas zu essen zusteckten. Hinzu kam jeden Tag noch die Suppenverteilung für Einheimische, die eine russische Offizierin organisierte. So verging Monat um Monat. Schließlich fand ihn sein Vater halb verhungert in einem Torbogen sitzend. Senek war inzwischen neun Jahre alt. 

Halb verhungert überlebte Senek alle Torturen. Und er lernt endlich wieder, seine Füße zu benutzen. Was für ihn ein großer Segen ist. Denn als Senek nach dem Krieg  in München lebt, entdeckt er ein großes Talent und eine Passion: Das Fußballspielen. Senek Rosenblum spielt sogar zeitweise bei beim TSV 1860 München. 1955 kehrt Senek Rosenblum München den Rücken zu und wandert in die USA aus. Doch schon zwei Jahre später ist er, jetzt als amerikanischer Besatzungssoldat, wieder in Deutschland. 1960 landet er wieder in München. Dort lernt er Marta Semelmann, eine aus Riode Janeiro stammende Jüdin, kennen, die er heiratet. In München, das seine Heimat wird, baut er einen Schmuckhandel auf. Hier lebt er bis zu seinem Tod am 4. Dezember 2022.   

2010 ist sein Buch „Der Junge im Schrank“ auf dem Markt erschienen, in dem er das Erlebte während des Krieges detailliert beschreibt.